Quotenfrau? Ja, bitte!
"Quotenfrau" ist bei vielen verschrien. Frauen hätten genau die gleichen Chancen wie Männer, im Aufsichtsrat Mitglied zu werden. Und überhaupt: Die Leistung zähle - eine qualifizierte Frau schaffe es auch ohne die Quote. Zeit für F_in, diese Märchenerzählung aufzuklären. Ein Plädoyer für die Geschlechterquote!
Was genau steckt hinter der Debatte?
Rund 95 Prozent aller Führungspositionen werden im dt. Fußball mit Männern besetzt. Unter den 16 Vorstandsmitgliedern des DFB und den 22 Präsident*innen der Regional- und Landesverbände gibt es nur eine Frau.[1] Europaweit sieht es ähnlich aus: Nur 4 Prozent aller (Vize-)Präsident*innen und der Vorstandsmitglieder in den Profiklubs, den Ligen, der jeweiligen Verbände sowie der UEFA sind Frauen.[2] Damit trifft ein kleiner Kreis von weißen, alten Männern Entscheidungen, die den Fußball maßgeblich prägen. Im Namen aller, die im Fußball organisiert sind.
Schaut man über den Fußball-Tellerrand hinaus, erkennt man schnell: Auch in der Politik sieht es nur wenig besser aus. Von allen 709 Bundestagsabgeordneten sind lediglich 221 (knapp 31 Prozent) weiblich.[3] Gleiches gilt in der Privatwirtschaft. Kumulativ haben von den knapp quotengebundenen 100 Unternehmen im Aufsichtsrat einen Frauenanteil von rund 30 Prozent.[4]
Über die Ursachen haben andere schon Studien durchgeführt und unzählige Beiträge geschrieben. Wir verlinken einige davon.[5] In der Kurzfassung: Je höher die Position, umso wichtiger werden Netzwerke, sprich persönliche Bekanntschaften, wenn es um die Besetzung von Ämtern geht. Und solche Netzwerke bestehen bis heute größtenteils aus Männern. "Von Männern für Männer", ist hier die Devise. D.h. die Entscheidung über die Besetzung von Ämtern wird von Männern getroffen. Und die denken eben zuerst an das eigene Geschlecht. Ganz strategisch und ebenfalls nach Quote: Bsp. West-/Ost, Industrie-/Gewerkschaftsnah, vielleicht auch mal "wen jüngeres". Insgesamt hat es selbst die kompetenteste Frau schwer, in solche Männerbünde reinzukommen. Im Fußball, der bis heute als Männerdomäne gilt, trifft das besonders zu.
Ein aktuelles Beispiel verdeutlicht die Problematik, dass kompetente Frauen bei der Besetzung von Positionen zu wenig berücksichtigt werden. Im Herbst 2020 hat die DFL-Taskforce "Zukunft Profifußball" mit drei AGs ihre Arbeit aufgenommen. Nur die Fanseite hält die Geschlechterquote von 50:50, die von der DFL berufenen Personen sind nahezu ausschließlich Männer. Bei der DFB-Taskforce ist die Situation nochmals zugespitzter. Bei zwei Fanvertreter*innen ist eine F_in-Frau dabei, auch hier halten die Fans die Quote. Weitere Frauen sind Fehlanzeige!
Das Beispiel zeigt auf: Bis zum Ziel, dass Frauen genauso selbstverständlich im Aufsichtsrat, im Vorstand, im Präsidium oder in welchem Gremium auch immer bei Verein X oder Verband Y sitzen, ist es noch ein weiter Weg. Die globale tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern wird dem "Global Sender Gap Report 2020" des Weltwirtschaftsforum zufolge erst in knapp 100 Jahren erreicht sein .6] So lange wollen wir nicht mehr warten - und viele andere mit uns auch nicht
"Women belong in all places where decisions are being made.
It shouldn't be that women are the exception." Ruth Bader Ginsburg
Seit knapp fünf Jahren gibt es das "Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst", kurz Führungskräftepositionengesetz (FüPoG) genannt. Dieses Gesetz besagt, dass in Aufsichtsräten von Unternehmen, die börsenorientiert sind und der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, eine Quote von 30 Prozent für das Minderheitengeschlecht greift. Außerdem sollen Unternehmen, die entweder mitbestimmungspflichtig oder börsenorientiert sind, für die obersten Management-Positionen sogenannte "Zielgrößen" zur Erhöhung des Frauenanteils festlegen. Wenig überraschend: Viele Unternehmen setz(t)en sich die Zielgröße "Null". Dass die derzeitige Fassung des FüPoG nicht ausreicht, haben mittlerweile auch die Ministerin des BMFSFJ, Franziska Giffey, und die Justizministerin, Christine Lambrecht, erkannt. Mit dem Ziel, dass die Quotenregelung für eine größere Anzahl von Unternehmen greift, planen sie eine Erweiterung des Gesetzes. Auch für die Besetzung von Vorstandsposten soll künftig eine Quote von 30 Prozent gelten. Außerdem sollen sich Unternehmen nicht länger "einfach so" die Zielgröße Null setzen dürfen.[7]
Diese Gesetzesinitiative ist begrüßens- und unterstützenswert. Sie erleichtert es Frauen, Zugang zu Führungspositionen zu erhalten. Gleichzeitig muss eine Frauenquote unserer Meinung nach inklusiv und divers gelebt werden und Frauen in ihrer Vielfalt bei der Besetzung von Spitzenpositionen sichtbar machen.
Insgesamt ist die Frauenquote also ein Mittel, ein Werkzeug auf dem Weg zu mehr Frauen in Spitzenpositionen - im Fußball und überall. Um dieses Ziel zu erreichen, sind ergänzende Maßnahmen sinnvoll: z.B. ein Programm für Nachwuchsführungskräfte oder ein Netzwerk für (potentielle) weibliche Führungskräfte. Letztlich sind Frauen in Führungspositionen, jetzt und in naher Zukunft, schlicht Vorbilder für junge Frauen. Und je mehr weibliche Vorbilder, desto selbstverständlicher wird es irgendwann, einfach selbst Mitglied im Aufsichtsrat des BVB, im Vorstand des FCB oder Präsidentin von Eintracht Frankfurt zu sein. Und wenn wir da sind, brauchen wir auch keine Quote mehr.
Übrigens: Eine Quote hebt die Qualität des jeweiligen Gremiums. Denn eine Studie [8] hat gezeigt, dass die kompetenten Männer von einer Frauenquote nichts zu befürchten haben. Qualifizierte Frauen ersetzen schlicht nach dem Leistungsprinzip die Männer, die inhaltlich nicht so viel drauf haben. Und wir alle lieben Fußball und wollen, dass die Menschen, die seine Entwicklung durch ihre Entscheidungen maßgeblich beeinflussen, auch die entsprechenden Fähigkeiten besitzen. Wir finden: Wenn eine Geschlechterquote dazu beiträgt, dass mehr kompetente Menschen mitreden, ist das doch im Sinne aller.
November 2020
F_in - Frauen im Fußball
F_in ist das Netzwerk Frauen im Fußball, zu dem Mitarbeiterinnen der Fanprojekte ebenso gehören wie Frauen aus der Wissenschaft, des Journalismus und viele aktive weibliche Fans. Wir arbeiten seit vielen Jahren zum Thema Sexismus im Fußball und bieten vielen Frauen* im Fußball einen Schutz- und Stärkungsraum.
Links:
[1] Blaschke, Ronny (2019): Spitzenämter fast unerreichbar, https://www.deutschlandfunk.de/frauen-im-fussball-6-spitzenaemter-fast-unerreichbar.1346.de.html?dram:article_id=451710
[2] Deutscher Fu0ball-Bund (2019): DFB Nachhaltigkeitsbericht: https://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/210330-Nachhaltigkeitsbericht.pdf
[3] Deutscher Bundestag (2019): Abgeordnete in Zahlen. Frauen und Männer: https://www.bundestag.de/abgeordnete/biografien/mdb_zahlen_19#url=L2FiZ2VvcmRuZXRlL2Jpb2dyYWZpZW4vbWRiX3phaGxlbl8xOS9mcmF1ZW5fbWFlbm5lci01Mjk1MDg=&mod=mod529494
[4] Wecker, Marion (2019): STRAHLUNGSARMES „QUÖTCHEN“. Die Geschlechterverteilung in Aufsichtsrat und Vorstand 2019, S. 6ff., in: https://www.boeckler.de/pdf/p_mbf_report_2019_48.pdf
[5] u.a. Step Up Equality (2020): Warum sich Strukturen ändern müssen: eine Analyse von Barrieren zu Führungspositionen für Frauen im Sport in Europa, in: http://www.discoverfootball.de/fileadmin/user_upload/Why_we_need_structures_to_change_-_German.pdf; Sports Studie 2019. Equal Play. Frauenkarrieren in der Sportsbranche, in: https://www.odgersberndtson.com/media/8597/191011-equal-play-studie-frauenkarrieren-in-der-sportbranche-de.pdf
[6] World Economic Forum (2019): Global Gender Gap Report 2020: http://www3.weforum.org/docs/WEF_GGGR_2020.pdf
[7] u.a. https://frauen.verdi.de/themen/gleichstellung/++co++aeb8cbf4-57d5-11ea-8f96-525400f67940 ; https://www.haufe.de/personal/arbeitsrecht/fuehrungspositionengesetz-soll-neue-quotenregelungen-bringen_76_511388.html
[8] Glösel, Kathrin (2019): Studie zeigt: Frauenquote bedeutet weniger unqualifizierte Männer in Top-Jobs, in:
https://kontrast.at/frauenquote-studie-frauen-maenner-qualifikation/
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